Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), dt. Dichter
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), dt. Dichter
Zur Geschichte Dorf Benz
Benz und 775 Jahre Reichsgeschichte
Benz und 775 Jahre Reichsgeschichte
Im Heft zur 775 Jahr-Feier vom 2. – 4. Juni 1990 schreibt Professor Dr. Grieser zum obigen Thema:
Sollten die Benzer auf den Gedanken verfallen, sich ein Dorfschaftswappen zuzulegen, so könnten sie darin die wichtigsten Vorgänge aus mehr als einem Dreivierteljahrtausend eigener Geschichte festhalten. Mindestens drei große Bewegungen müssten dabei beachtet werden. Sie haben die Lebensverhältnisse unserer Menschen und ihrer Voreltern entscheidend geprägt und wirken bis in die unmittelbare Gegenwart nach. Zum einem geht es um die große deutsche Ostsiedlung vom 12. bis zum 14. Jahrhundert und die damit verbundene Frage, wie Germanen und Slawen zum Volk der Deutschen verschmelzen konnten. Sodann wurde im 17. und 18. Jahrhundert darum gerungen, ob die entstehenden Gutsherrschaften die freien Bauern in die Leibeigenschaft abdrängen würden. Schließlich brachte die Zeit nach 1945 die Herausforderung, die von Polen, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion vertriebenen Nachfahren der mittelalterlichen deutschen Ostsiedler in die ostholsteinische Gesellschaft einzugliedern.
Wenn auch das genaue Gründungsdatum von Benz im Dunkeln liegt, so darf es doch spätestens 1215/16 angesetzt werden, weil der Ortsname damals in verschiedenen Urkunden auftaucht. „Banzoviz“ und „Benzsche“ weisen auf die seit mehreren Jahrhunderten hier ansässigen wendischen Wagrier hin, bei denen es sich um einen Teilstamm der Obodriten handelt. Im Siedlungsgebiet dieses Stammes finden sich bei Wismar und Hagenow tatsächlich weitere Dörfer gleichen Namens. Doch gehörten die Benz-Dörfer auf Rügen, Usedom und bei Kammin in Hinterpommern zu anderen Stammesgebieten. Betont somit der Ortsname „Dorf des Banz“. o.ä. das slawische Erbe, so kündet der Nachbarort „Flehm“ von der niederländisch- flämischen Beteiligung an der deutschen Ostsiedlung. Von den dem später reichsunmittelbaren Bischof von Lübeck durch Heinrich dem Löwen wohl 1154 zugesprochenen „300 Hufen“ entfielen allein 14 Bauernstellen auf Benz (Laut Tafelgüterverzeichnis um 1280). Wenn auch die hochgelegenen Fenster der Neukirchener St. Johannis-Kirche noch von den Spannungen zwischen den heidnischen Wenden und den christlichen germanischen Kolonisten zeugen, so glichen sich der Rechtsstand der slawischen Einwohner und der Neusiedler recht bald aneinander an. Die Hufenverfassung setzte sich durch. Die Hufen waren erblich, und die Abgaben an den Bischof durften selbst bei einer Vergrößerung der Wirtschaft z.B. durch Rodung nicht angehoben werden. Nur von Ferne wirkte 1549 die Abwehr der Türken an der Südostgrenze des Reiches in die Stille der Benzer freien Bauern hinein. Das Reichstürkensteuerregister
überliefert uns nicht nur die Abgaben der Benzer Hufner, sondern auch ihre Namen: Tode, Tamm, Quistorf und dreimal Overdyck. Im Dreißigjährigen Krieg blieb Benz wohl von Kriegsgreueln verschont, auch wenn der kaiserliche General Tilly angeblich im „Gasthaus“ (heute Told/Harm) übernachtet haben soll. Im Nordischen Krieg mussten die Benzer freilich Truppeneinquartierungen und Proviantlieferungen hinnehmen (z.B. 1708).
Viel wichtiger wurde für die Benzer Geschichte die Auseinandersetzung mit den Eutiner Landesherrn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als häufig wechselnde Besitzer des Benzer Hofes versuchten, aus mehreren gekauften Hufen ein Gut einzurichten und sich teilweise der Landeshoheit zu entziehen. Für die Bauern bedeutete dies, dass ihre Felder zum Hoffeld geschlagen und sie selbst leibeigen werden konnten. Doch hielt sich dieses Bauernlegen in Benz durch den landesherrlichen Widerstand in Grenzen, so dass das Dorf weiterhin eine „Halbinsel freier Bauern in einem Meer der Leibeigenschaft“ ringsum blieb. Dazu hat wohl auch beigetragen, dass die Eutiner Herzogin Albertina Friderica 1712 den Benzer Hof kaufte und bis 1738 zwar auf seine spätere Größe brachte, andererseits aber nicht die Entlassung aus der fürstbischöflichen Verwaltung und damit die Eigenschaft eines „Adligen Gutes“ erringen konnte. Trotzdem mussten die Benzer und die Söhrener Bauern nun auf dem Benzer Hof Dienste ableisten. Für Widerspenstige stand ein Strafpfahl mit Ketten bereit, der noch nach 1800 im Inventar aufgeführt wird. Erst ab 2.2.1849 wurde der Benzer Gutshof nicht mehr von der staatlichen Verwaltung des „Fürstentums Lübeck“ im Großherzogtum Oldenburg, sondern von der Fideicommißdirektion und der privaten Güteradministration des Landesherren betreut. Die Vorrechte des Gutes wie die Steuer- und Abgabenfreiheit schwanden. Die „kleinen Leute“ beanspruchten vermehrt Rechte an Holz und Weiden. Ein Schulhaus war 1833 neu errichtet worden. Noch im Juli 1923 spiegelte sich die Not der Inflationszeit und des Ruhrkampfes darin, dass im Zuge einer Streikwelle auf den benachbarten Gütern die Scheune des Benzer Hofes und der tiefer gelegene Bauernhof abbrannten.
Das jährliche Gedenken an die Opfer der Gewalt im Zuge des Zweiten Weltkrieges zählt nicht die Gefallenen des Dorfes, weil die Verdoppelung der Einwohnerschaft durch die seit 1945 hinzugekommenen Heimatvertriebenen den Benzer Rahmen sprengt und Menschen aus vielen ostdeutschen Orten erwähnt werden müssten. In Benz vollzog sich ja nicht nur beispielhaft das Ende von Behörden des Großdeutschen Reiches. So berichtet auf dem Benzer Bahnhof eine Tafel davon, dass hier im Juli 1945 die Reichsbahndirektion Stettin aufgelöst wurde. Und auch die verschiedenen Stäbe der bis in den Herbst 1945 von der britischen Besatzungsmacht in einem ostholsteinischen „Kral“ von Laboe über Eutin bis Neustadt i.H. lediglich internierten, aber noch in Kriegsgliederung erhaltenen deutschen Wehrmachtsverbände, kündeten in Benz nur von der Vergangenheit. Anders aber sieht es mit den Vertriebenen aus. Sie vermischten sich mit der einheimischen Bevölkerung ohne ernstliche Schwierigkeiten. Dies lag sicherlich auch mit daran, dass hier Menschen vom gleichen Schlag aufeinander stießen; denn die Pommern hatten sich als deutscher Neustamm ja unter ähnlichen Bedingungen wie die Ostholsteiner im Mittelalter gebildet. Vielleicht waren sogar einige Benzer im 13. Jahrhundert weiter nach Osten gezogen, so dass nun 1945 sich Menschen begegneten, deren Vorfahren sich vor 700 Jahren während der Ostsiedlung getrennt hatten? Das Anwachsen der Bevölkerung erforderte die Bildung eines eigenen Ev.-Luth. Pfarramtes Benz. Viele Eigenheime entstanden in der Hauptstraße und Auf dem Kamp. Ein Feuerwehrgerätehaus kam dazu. Auch wenn der Bahnhof, die Schule und der Laden seit den 70er Jahren geschlossen wurden, so bleiben doch die Poststelle, ein von Fremden gut besuchter Gasthof und vor allem ein Dorfschaftshaus (ehemalige Schule), in dem sportliche Tätigkeiten und auch der Kinderspielkreis ihre Heimat fanden.
Hier noch einmal die Reichsgeschichte im Überblick
1215
Benz erstmals genannt. Es gehört zu den 300 Hufen des reichsunmittelbaren Bischofs von Lübeck.
1549
Das Reichstürkensteuerregister zählt folgende Höfe in Benz auf: Tamm, Tode, Overdyck (3 Bauern) und Quistorf.
1636 – 1711
Herausbildung einer Gutsherrschaft (aber keine Leibeigenschaft wie im heutigen Kreis Plön). Gutsgericht des Domanialgutes in Eutin.
1833
Bau einer neuen Schule (heute „Kirche“ zu Neukirchen gehörend) in der Flehmer Strasse.
1923
Nach dem großen Brand Verkauf des großherzoglichen oldenburgischen Gutes.
1934
Seit der Zusammenlegung der beiden Gemeinden Malente und Neukirchen im Jahre 1934 gehören neben dem Ortsteil Neversfelde noch 9 Dörfer zur Großgemeinde Malente: Timmdorf, Kreuzfeld, Neukirchen, Sieversdorf, Krummsee, Malkwitz, Nüchel, Benz und Söhren. Diese Dörfer waren, wie das Dorf Malente, landwirtschaftlich geprägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann auch hier die Ausweitung durch Wohnhäuser und ganze Wohnsiedlungen.
1945
Seitdem besteht die Hälfte der Einwohnerschaft aus den Nachfahren der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung (Pommern und Ostpreußen).
Dorfschaftswappen
Dorfschaftswappen
So könnte ein Dorfschaftswappen aussehen, in dem die wichtigsten Vorgänge aus einem Dreivierteljahrtausend eigener Geschichte festgehalten sind:
Die Hügel verweisen auf die Endmoränen, die Laubblätter auf den Wald- und Wildreichtum unserer Gemarkung während der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung und der Pferdekopf auf die Landwirtschaft als Haupterwerbsquelle bis in die Gegenwart.
Der Strafpfahl steht für die Gutsgerichtsbarkeit des fürstbischöflichen Gutes Benz im 18. und 19. Jahrhundert.
Die Mütze erinnert neben der bäuerlichen Tätigkeit auch an die vielen Tausend Wehrmachtssoldaten in Benz und Umgebung von Mai bis in den Herbst 1945 sowie an die ostdeutschen Vertriebenen, die in der Nachkriegszeit die Hälfte der Bevölkerung stellten.
Aus der Geschichte der Dorfschaft Benz
von Lehrer Karl Hagelstein von Oktober 1935
Aus der Geschichte der Dorfschaft Benz
von Lehrer Karl Hagelstein von Oktober 1935
Der Osten der Dorfschaft Benz zeigt riesige Steinlagerungen; Zeugen der Eiszeit. Der Steinwall zieht sich über die Holzkoppel, Holzkoppelsbusch, kl. Benzerholz, Benzer Schulland zum Osterrade und Lindenhof hin. Hier ruhen tausende cbm Felsen, wahrscheinlich die Stirnmoräne eines Gletschers, nach Westen folgen Sandflächen, daran setzt sich schwerer Lehm, der bei der Malkwitzer Ziegelei am deutlichsten zu Tage tritt.
Die Findlinge hindern die Landwirtschaft sehr. Überall an Scheiden und Wegen lagern sie in Haufen. Im Winter 1924-25 wurden viele hundert cbm zur Bahn transportiert und dort verladen. Sie wurden mit einem Steinknacker zertrümmert und sollten zum Wegebau und zur Befestigung der Westküste benutzt werden.
Viele Einfriedigungen bestehen aus Steinmauern. Dieselben sind in schwerer Arbeit zusammengesetzt. Sie überdauern Jahrhunderte. Kaum weiß man heute noch von der Arbeitstechnik, mit welcher die schwierigen Arbeiten vollendet wurden. In den Benzer Gehölzen ruhen die Findlinge noch heute nach vielen tausend Jahren unberührt und moosbedeckt an der Oberfläche. Auf dem urbaren Ackerboden sind sie als Hindernis beseitigt. Reichlich sind die Funde aus der Vorgeschichte. Steinbeile und andere Geräte werden häufiger gefunden. Im großen Benzerholz befinden sich 4 bis jetzt unberührte Hünengräber. Ringgräber mit 12-20 Meter Durchmesser sind auf der Hofkoppel hinter dem Bahnhof freigelegt. Eine Steinaxt wurde beim Abbruch eines Strohdaches gefunden. Sie sollte das Haus vor dem Blitzstrahl Thors schützen. Dieses Beil befindet sich als besondere Seltenheit im Museum zu Kiel.
Die seen- und waldreiche Gegend muss schon in der Vorzeit stark bevölkert gewesen sein. Jagd und Fischfang schufen die Existenzbedingung. Schlupfwinkel gegen die Feinde waren genügend vorhanden.
Der Benzer Boden ist durchweg nicht sonderlich fruchtbar, er wechselt vom leichtesten Sand bis zum schweren Lehm. Steile Hügel und viele Steine hindern die Landarbeit sehr. Durchweg erntet man das 10.-11. Korn. Wegen der Vielseitigkeit des Bodens kann jede Frucht gebaut werden: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Rüben sieht man überall.
Vereinzelt findet sich noch ein Buchweizenfeld. Der Rapsbau ist eingestellt. Sehr gut gedeiht in den Wäldern die Buche. Die schlanken Stämme ragen säulenartig hoch empor. Im Winter wird in diesem waldreichen Revier viel Buchenholz geschlagen, und als Nutzrollen oder Brennholz verkauft. Durchweg ist auf der Benzer Holzauktion das Holz billiger als an anderen Orten; die Preise bewegen sich zwischen 6-8 Mark pro RM für bestes Brennholz.
Benz war vor 70 – 80 Jahren wegen seines Wildreichtums in der Umgegend bekannt und wegen seiner Wilddieberei berüchtigt. Ganze Familien lebten nur von Wilddieberei. Die Männer trugen sogar grüne Forstkleidung. Ihre Streife ging meistens in die großen adeligen Güter nördlich der Grenze, die von Dam- und Rehwild wimmelten. Nach den damaligen Jagdgesetzen konnten auf preußischem Boden verübte Jagdvergehen im Oldenburgischen nicht bestraft werden. Die Wilderer hängten den durch Benz reisenden Grafen von Kletkamp die aus seinem eigenen Gebiet geschossenen Damhirsche zur Schikane an der Wegegabelung in Benz auf. Das geschossene Wild wurde nachts auf Wagen heimlich nach Eutin geschafft und dort verkauft.
Ergiebig war auch der Krebsfang in den Benzer Seen und der Au, bis die damals allgemein auftretende Krebspest diesem Erwerbszweige ein Ende machte. Viel genannt wird aus dieser Zeit die Familie Sieck, die sich nur von Jagd und Krebsfang ernährte. Noch in den letzten Jahren vor dem Kriege war der Wildbestand gut. Das Damwild wechselte in Rudeln über die Grenze. Eifrige Jäger konnten 10-12 Stück auf ihrem Besitz erlegen. Schöne Geweihsammlungen in Bauernhäusern erinnern an diese Zeit.
In den Kriegsjahren 1914-18 wurden durch auswärtige Wilderer die Wildbestände in den anliegenden Gütern vernichtet und damit wurde auch die Jagdbeute in Benz sehr gering. Nach dem Weltkriege hat sich der Wildbestand etwas wieder erholt. Das neue Jagdgesetz 1935 will denselben hegen und pflegen.
Benz ist ursprünglich ein Rundling gewesen. Der Name des Dorfes deutet auf wendischen Ursprung. Doch ist die Bevölkerung vorwiegend nordisch. Nur hin und wieder trifft man den ostischen Typ. Das Dorf lag in seiner Urform um den Teich, der früher dem Dorf gehörte, aber 1872 bei der Landvermessung zum Gut Benz geschlagen wurde. Die Lage des Dorfes hat sich im Laufe der Zeit vollständig verändert.
Das Gut Benz stammt aus der Zeit des Bauernlegens (17. Jahrhundert). Es war ursprünglich kein Rittersitz, sondern ist aus 5 Bauernstellen zusammengekauft.